10 Tipps für die Seminarplanung in der Erwachsenenbildung

Nachfolgend einige, grundlegende Hinweise für alle die vielleicht zum ersten Mal in Ihrem Leben vor der Aufgabe stehen ein Seminar für Erwachsene durchzuführen und bislang noch keine Erfahrungen als DozentIn gesammelt haben.

1. Seminar strukturieren

Ein Seminar wird üblicherweise in eine Anfangs-, Arbeits- und Abschlußphase unterteilt. In der Anfangsphase eines Seminars (ca. 15 % der zur Verfügung stehenden Zeit) geht es beispielsweise darum, dass sich die Teilnehmenden untereinander kennenlernen und auch, dass die Seminarleitung die Gruppe einschätzen lernt. Außerdem ist es wichtig einen allgemeinen Überblick über das Seminar zu geben sowie das Thema kurz vorzustellen. Und nicht zuletzt ist die Anfangsphase die Phase in der die Weichen für das weitere Seminar gestellt werden, d.h. es geht auch darum die „Lust auf das Lernen“ zu wecken bzw. zu fördern. Die Arbeitsphase eines Seminars (ca. 75 % der zur Verfügung stehenden Zeit) ist zum einen gekennzeichnet durch die Vermittlung von Wissen durch die Seminarleitung. Zum anderen wird normalerweise aber auch die Erarbeitung von Inhalten durch die Teilnehmenden angestrebt. Während der Abschlußphase eines Seminars (ca. 10 % der zur Verfügung stehenden Zeit) werden die wichtigsten Fakten noch einmal wiederholt, um das Gelernte zu verfestigten. Zudem wird der Lehr-/Lernerfolg überprüft und es wird den Teilnehmenden die Möglichkeit für Rückfragen gegeben.

2. Anfangssituationen gestalten

Der Beginn einer Bildungsveranstaltung ist häufig durch Unsicherheit und Angst gekennzeichnet. Die Teilnehmenden haben ganz allgemein Angst vor dem Neuen, das sie dort erwartet und befürchten, sie könnten von den anderen  nicht angenommen werden, sich blamieren oder an zu hohen Anforderungen scheitern. Und auch die Mehrzahl der SeminarleiterInnen hat zunächst Angst, weil sie sich beispielsweise fragen: Wie sind die einzelnen TeilnehmerInnen und was für eine Gruppe erwartet mich? Mit welchen Erwartungen werde ich konfrontiert und kann ich diese erfüllen? Bei der Gestaltung von Anfangssituationen geht es deshalb zunächst einmal um Annäherung und Angstreduktion. Im Hinblick darauf gibt es in der Erwachsenenbildung sehr viele unterschiedliche Methoden mit denen sich der Beginn von Seminaren gestalten lässt. Dazu zählen beispielsweise ein Kurzporträt, ein Partnerinterview, ein Erwartungsblitzlicht oder Bildbetrachtungen. Außerdem empfiehlt es sich zunächst einen kurzen Überblick über das Seminar zu geben und einen Ablaufplan am Flipchart (Advanced Organizer) zu skizzieren. Dieser sollte dann so aufgehangen werden, dass er während der gesamten Veranstaltung sichtbar ist. Dadurch werden Erwartungsängste abgebaut, der rote Faden wird sichtbar und es wird den Teilnehmenden immer wieder eine schnelle Orientierung ermöglicht.

3. Anschlusslernen unterstützen

„Lernen“ ist keine Tätigkeit, die man entweder tun oder lassen kann. Wir alle lernen immer und überall! Allerdings handelt es sich dabei in der Regel nicht um bewusstes, zielgerichtetes und organisiertes Lernen, sondern wir lernen häufig unbewusst und oft ungeplant. Bei der Seminarplanung geht es deshalb in erster Linie um die Frage wie man das „Lernen“ unterstützen und in die gewünschte Richtung lenken kann. Um dies zu erreichen sind insbesondere zwei Aspekte entscheidend. Die Auseinandersetzung der Teilnehmenden mit dem Lernstoff sollte auf möglichst vielfältige Art und Weise geschehen, d.h. es müssen von der Seminarleitung unterschiedliche Lehr-/Lernmethoden eingesetzt werden. Die Besonderheiten des Lernens Erwachsener müssen berücksichtigt werden. Erwachsene haben Schwierigkeiten damit etwas völlig Neues lernen. Sie tendieren eher dazu ihr bereits vorhandenes Wissen zu erweitern. Für den Lehr-/Lernerfolg bei Erwachsenen ist es deshalb entscheidend Anknüpfungspunkte (zwischen bereits vorhandenem Wissen und neu zu lernendem Wissen) zu suchen und ihnen ein sogenanntes Anschlusslernen zu ermöglichen. Erwachsene sind meist nur dann lernwillig, wenn ihnen das neu zu lernende Wissen nützlich erscheint, d.h. einen Praxisbezug hat oder interessant ist, d.h. wenn die Informationen einen Neuigkeitswert haben. Aus diesem Grund wird der Lehr-/Lernerfolg dann positiv beeinflusst, wenn es gelingt die mit dem Erwerb des neuen Wissens einhergehenden Vorteile herauszustellen.

4. Unterschiedliche soziale Lernformen nutzen

Es gibt mehrere Varianten des Umgangs zwischen Lehrenden und Lernenden, aber auch zwischen den Lernenden untereinander. Die zielgerichtete und wechselnde Kombination dieser sozialen Lernformen trägt maßgeblich zum Lernerfolg des Einzelnen aber auch zu einer positiven Entwicklung der Lerngruppe insgesamt bei. Soziale Lernformen sind beispielsweise Frontalunterricht, Einzelarbeit, Partnerarbeit, Kleingruppenarbeit und Podiumsdiskussion. Häufig folgen die verschiedenen sozialen Lernformen auch in einer vorher festgelegten Abfolge aufeinander. Zum Beispiel beim kooperativen Lernen („Think-Pair-Share“) wird eine Aufgabe von den Teilnehmenden zunächst alleine bearbeitet. Dann folgt der Austausch mit einer/m Partner/in. Zuletzt werden die Ergebnisse im Plenum vorgestellt und diskutiert. Der Vorteil besteht darin, dass sowohl die individuelle Verantwortung der/des Einzelnen für ihren/seinen persönlichen Lernerfolg als auch die Gruppenzugehörigkeit und die Bedeutung für den Erfolg der Lerngruppe als Ganzes hervorgehoben wird. Das fördert Lernmotivation und Leistungsbereitschaft.

5. Regelmäßig Rückmeldungen ermöglichen

Die entscheidende Voraussetzung für das Lenken einer Gruppe ist zunächst einmal die fortlaufende Einschätzung und bewusste Kontrolle der Gruppendynamik, damit Fehlentwicklungen möglichst frühzeitig erkannt und entsprechende Korrekturversuche unternommen werden können. Festgefahrene Diskussionen, Streitereien über Nebensächlichkeiten, sich zunehmend wiederholende Wortbeiträge, Abschweifen vom eigentlichen Thema, verhärtete Fronten, unzufriedene und genervte TeilnehmerInnen, gestresste SeminarleiterInnen usw. kennt jede Seminarleitung. Es ist deshalb wichtig, selbst den Überblick zu behalten, die Gruppe in die richtige Richtung zu lenken und dafür zu sorgen, dass konstruktiv, produktiv und ergebnisorientiert gearbeitet wird. Deshalb kann es in solchen Situationen sinnvoll sein die lebhafte Diskussion kurzzeitig zu unterbrechen und eine kurze Zwischenbilanz anzuregen. Im Hinblick darauf ist es gut, immer mal wieder eine kurze Rückmeldungsrunde (Blitzlicht, Stimmungsbarometer) einzustreuen, d.h. sich nicht nur auf die eigene Wahrnehmung zu verlassen sondern auch die TeilnehmerInnen um eine kurze Schilderung zu bitten wie sie die aktuelle Situation in der Gruppe erleben. Diese sollte möglichst für alle sichtbar z.B. am Flipchart visualisiert werden. Denn das Wissen um bereits gemeinsam Erreichtes macht die TeilnehmerInnen zum einen zufriedener und motiviert sie zum anderen ganz gezielt die ungeklärten Fragen noch anzugehen.

6. Lerninhalte bewusst auswählen

Den Umfang von Informationen sinnvoll zu begrenzen und/oder das Ineinandergreifen von unterschiedlichen Sachverhalten verständlich darzustellen gehört zu den wichtigsten Aufgaben von Lehrenden. Diese Auswahl und Aufbereitung ist nicht nur aus Zeitgründen erforderlich, sondern auch um den Lernstoff für die Lernenden überschaubar und nachvollziehbar zu machen. Eine solche didaktische Reduktion kann bedeuten, dass man den Lernstoff vertikal (in der Tiefe) beschränkt, weil man Themeneinsteigern zunächst nur einen allgemeinen Überblick über ein Thema geben möchte. Oder man reduziert die Informationen horizontal (in der Breite) für den Austausch mit anderen Fachexperten, die man regelmäßig über neue Entwicklungen innerhalb des gemeinsamen Themengebietes auf dem Laufenden hält. Möglich ist auch, dass man sowohl eine vertikale als auch eine horizontale Reduktion anwendet, weil man sich auf die Weitergabe von Wissen konzentriert, welches einen klar erkennbaren Anwendungsbezug hat, d.h. der ausgewählte Lernstoff soll für die Lernenden einen praktischen Nutzen haben.

7. Vielfältige, aktive Lehrmethoden einsetzen

Seit etlichen Jahren gibt es einen allgemeinen Trend weg von passiven Lehrmethoden und hin zu aktiven Lehrmethoden. Diese Entwicklung hält unverändert an und wird sich zukünftig wahrscheinlich auch noch weiter fortsetzen. Passive Lehrmethoden (z.B. Vortrag, Präsentation) sind dadurch gekennzeichnet, dass die Aktivität überwiegend beim Lehrenden liegt, während der Lernende in eine passive Zuhörerrolle gedrängt wird. Passive Lehrmethoden eignen sich lediglich für die Vermittlung von reinem Faktenwissen. Eine bessere Sozial- oder Handlungskompetenz („soft skills“) beim Lernenden kann damit nicht erreicht werden. In Abgrenzung dazu werden bei aktiven Lehrmethoden die Lernenden von Anfang an in die Vermittlung des Lehr-/Lernstoffes einbezogen. Aktive Lehrmethoden zielen häufig auf die Vermittlung von Erfahrungen durch eine Konfrontation mit praktischen Problemen ab. Dies kann entweder in der Praxis selbst, in der Praxis nachempfundenen Modellsituationen (Bsp. Rollenspiel), bei Kleingruppenarbeit usw. der Fall sein. Der Vorteil aktiver Lehrmethoden liegt in der Realitätsnähe und in der Beteiligung der Lernenden, was zu einer deutlich höheren Lernmotivation der Lernenden führt.

8. Ein gutes Ende finden

Schlusssituationen sind im Wesentlichen durch den Rückblick des Einzelnen auf die gemeinsam mit der Gruppe verbrachte Seminarzeit gekennzeichnet. Die individuelle Bewertung des Seminarerfolgs sowie die Gedanken und Gefühle mit denen das Seminar abgeschlossen wird können im Hinblick darauf ausgesprochen unterschiedlich sein. Stolz auf das neu erworbene Wissen. Zufriedenheit mit den persönlichen Fortschritten. Optimismus das Gelernte bald erfolgreich in die Praxis umsetzen zu können. Enttäuschung weil die Erwartungen nicht erfüllt wurden. Wehmut, dass die gemeinsame Zeit zu Ende ist. Unsicherheit, weil (noch) nicht klar ist wie es danach weitergeht. Erleichterung, dass das Seminar endlich vorbei ist. Freude auf neue Herausforderungen. Stress angesichts eines vollen Terminkalenders. Ungeachtet dieser oft widersprüchlichen Stimmungen der TeilnehmerInnen ist es wichtig die Seminargruppe für eine Feedback-Runde noch einmal zusammenzubringen und einen gemeinsamen (versöhnlichen) Abschluss zu ermöglichen.

9. Zufriedenheit abfragen

In der Erwachsenenbildung kommen die TeilnehmerInnen mit individuell oftmals sehr unterschiedlichen Erwartungshaltungen in ein Seminar. Erwachsene verfügen über vielfältige Lebenserfahrungen und haben bereits ein mehr oder weniger ausgeprägtes Vorwissen zum Seminarthema. Von daher ist auch die Bilanz am Ende eines Seminars in der Regel eine sehr persönliche. Auch wenn die Seminargruppe als Ganzes ein kleines Stück des Lebens-Lern-Weges gemeinsam gegangen ist – das angestrebte Lernziel haben alle Lernenden (trotz eventueller Vorgaben) nur für sich selbst abgesteckt. Deshalb ist es sinnvoll im Rahmen einer Überprüfung der Seminarergebnisse genau an diesem Punkt anzusetzen und im Rahmen einer Feedback-Runde jede/n Einzelne/n danach zu fragen, inwieweit die individuell unterschiedlichen Erwartungen der SeminarteilnehmerInnen erfüllt wurden und inwieweit sie ihre persönlichen Lernziele erreichen konnten.

10. Transfererfolg beurteilen

Bezogen auf die Evaluation (Untersuchung und Bewertung) von Bildungsmaßnahmen ist neben der Zufriedenheit der TeilnehmerInnen der Transfererfolg ein weiteres, wichtiges Merkmal. Nachdem man im ersten Schritt die Zufriedenheit der TeilnehmerInnen erfragt hat, geht es im zweiten Schritt darum zu erfahren inwieweit die TeilnehmerInnen das Gelernte auch tatsächlich in die Praxis umsetzen konnten. Dieser sogenannte Lerntransfer ist das entscheidende Kriterium wenn es darum geht den Erfolg von Weiterbildungsmaßnahmen zu bewerten. Der Lerntransfer wird gefördert durch Praxisbezug (Berücksichtigung von Vorerfahrungen der TeilnehmerInnen), Rollenspiele in denen das Gelernte umgesetzt/geändertes Verhalten eingeübt wird und konkrete Vorsätze der TeilnehmerInnen. Behindert wird er durch falsche Selbsteinschätzung und fehlender Veränderungswunsch der TeilnehmerInnen, nicht vorhandene Anwendungsmöglichkeiten im späteren (Arbeits-) Alltag und Akzeptanzprobleme des sozialen Umfelds. Eine Methode der Erwachsenenbildung mit welcher der Transfererfolg sichtbar gemacht werden kann, ist beispielsweise das Lerntagebuch.


Linktipp: Mikro-Didaktik (Seminarplanung) – Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Bildungsveranstaltungen (Erwachsenenbildung)