Digitale Medienkompetenz bedeutet nicht nur Zugang zu digitalen Medien zu haben, sondern im alltäglichen Umgang mit ihnen vertraut zu sein, sich diesbezüglich beständig weiterzuentwickeln um digitale Medien den sich ändernden Umständen entsprechend aktiv und selbstbestimmt verantwortungsvoll nutzen zu können.
Neben der erforderlichen technischen Ausstattung und einem Internetzugang gehören zur Medienkompetenz gute Selbstlernkompetenzen, aber auch Handlungswissen und Praxiskompetenz sowie Selbstreflexion und Sendungsbewusstsein dazu.
Chancen und Risiken der Digitalisierung von Erwachsenenbildung
Es ist davon auszugehen, dass die Digitalisierung von Erwachsenenbildung zu einer Ausdifferenzierung der anvisierten Zielgruppen führt. Nicht alle TeilnehmerInnen einer Bildungsveranstaltung werden in gleichem Maße von den (ergänzenden) digitalen Lernangeboten profitieren. Daneben wird es zudem eine ganze Reihe von potentiellen TeilnehmerInnen geben für die digitales Lernen grundsätzlich nicht infrage kommt.
Neben Unzulänglichkeiten was die digitale Medienkompetenz (rudimentäre Beherrschung der Grundfunktionen) angeht ist die Teilnahme an Online-Veranstaltungen der Erwachsenenbildung insbesondere abhängig von dem Vorhandensein der technischen Voraussetzungen, d.h. nicht zuletzt der finanziellen Leistungsfähigkeit. Problematisch ist außerdem, dass die für das digitale Lernen unerlässliche Fähigkeit zu selbst organisiertem Lernen bei ansonsten eher bildungsfernen TeilnehmerInnen nur gering ausgeprägt ist. Es besteht deshalb die Gefahr, dass diese immer weiter abgehängt werden.
Ansonsten werden auch die Ansprüche an die Lehrenden und die Bildungsanbieter steigen. Um der geänderten Erwartungshaltung gerecht zu werden, wird es erforderlich sein zeitlich flexiblere Lernein- und -ausstiege sowie individuellere Lernwege zu ermöglichen. Vielleicht wird sich sogar das gesamte System ändern, konzentrieren sich die heutigen FachtrainerInnen zukünftig auf die Erstellung/Aktualisierung von digitalen Lehr-/Lernmaterialien während die pädagogische Praxis durch medienkompetente Allround-LernbegleiterInnen gestaltet wird.
Vorteilhaft ist in jedem Fall, dass es heute schon egal ist, ob die hochspezialisierten Fachkräfte im Büro nebenan sitzen oder 1000 km entfernt im Homeoffice arbeiten. Nachteilig daran erlebe ich allerdings zunehmend, dass mir zum Beispiel wann immer ich selbst an Online-Bildungsveranstaltungen zur Digitalisierung von Erwachsenenbildung teilnehme immer wieder die gleichen ExpertInnen präsentiert werden und diese die Diskussion zu diesem Thema zunehmend prägen.
Zersplitterung der Zielgruppen – Wie wird man trotzdem allen gerecht?
Nur ein geringer Teil der vorwiegend jüngeren Lernenden dürfte so anhaltend technikbegeistert sein, dass sie eine Vorreiterrolle beim Ausprobieren immer neuer Anwendungssoftware oder Bildungsformate einnehmen wollen und können. Dann – und auch damit müssen beide Seiten erst einmal umgehen – haben sie den Lehrenden allerdings oft einiges voraus.
Hoch qualifizierte und finanzstarke Zielgruppen werden jedoch über weitere Strecken mitgehen und mit den technischen Entwicklungen Schritt halten.
Aber eine nicht unerhebliche Anzahl sowohl der Lernenden als auch der Lehrenden dürfte eher von äußeren Zwängen, aber auch dem ständigen Bemühen mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten getrieben sein. Im Hinblick darauf wurde in der Vergangenheit oft die Angst etwas Wichtiges zu verpassen (FOMO = Fear of Missing out) thematisiert und ignoriert, dass es daneben auch den ebenso verständlichen Wunsch nach digitaler Abstinenz (JOMO = Joy of missing out) gibt.
Der Wunsch nach Präsenzveranstaltungen ist unverändert da! Das gilt insbesondere für schlecht qualifizierte und finanzschwache Teilnehmende. Hinzu kommen ältere TeilnehmerInnen (welche mit der Teilnahme an Bildungsveranstaltungen auch den Wunsch nach sozialen Kontakten befriedigen und/oder bewusst auf Dauer offline bleiben wollen). Diese sind bereits jetzt von den technischen Entwicklungen abgehängt und für sie wird es zukünftig immer schwerer werden noch einen Einstieg in das digitale Lernen zu finden.
Abhängigkeit des Lernerfolgs von technischer Ausstattung und Internetzugang
Auch wenn inzwischen fast alle Erwachsenen über ein internetfähiges Endgerät verfügen macht es für das digitale Lernen eben doch einen Unterschied, ob die TeilnehmerInnen mit einem Smartphone auf dem Sofa sitzen oder ein vollausgestatteter Arbeitsplatz eventuell sogar in einem separaten Raum für das digitale Lernen zur Verfügung steht.
Die Digitalisierung von Erwachsenenbildung schreitet vermutlich gerade deshalb dort voran wo es um die berufliche Qualifizierung geht. Gebildete, berufstätige, finanzstarke Zielgruppen für diese Bildungsangebote verfügen zum einen bereits über die notwendige vorhandene technische Ausstattung und zum anderen aber auch die Bereitschaft in notwendiges technisches Equipment zu investieren. Für sie gilt es konkurrenzfähig zu bleiben um auch zukünftig den Anforderungen des Arbeitsmarktes entsprechen zu können.
Bildungsgewohnheiten (Selbstlernkompetenz) und Steuerung von Gruppenprozessen im virtuellen Raum
Ja, es gibt lerngewohnte Personenkreise wie SchülerInnen, StudentInnen und AkademikerInnen für die selbst organisiertes Lernen selbstverständlich ist und die sowohl über Internetzugang als auch Technikkompetenz verfügen. Diese werden in hohem Maß von der Digitalisierung in der Erwachsenen- und Weiterbildung profitieren. Aber sie machen jedoch nur einen Bruchteil der typischen Zielgruppen aus.
Fast alle anderen Zielgruppen brauchen eine engere Begleitung und Betreuung durch die Lehrenden wenn das digitale Lernen gelingen soll. Dies gilt zum Beispiel insbesondere dann, wenn vorbereitendes, eigenständiges Lernen (Prinzip der Flipped courses) die Voraussetzung beispielsweise für die Teilnahme an einem Webinar ist, wodurch die gemeinsame Online-Zeit verkürzt wird. Und das vor dem Hintergrund, dass der Erfahrungsaustausch (Hilfestellungen, Klären offener Fragen) mit DozentInnen und Mitlernenden ohnehin bereits als unzureichend empfunden wird.
Neben der eigentlichen Wissensvermittlung wird derzeit auch noch zu wenig über die Steuerung der gruppendynamischen Prozesse diskutiert, die nur über den Bildschirm ganz anders und häufig unbefriedigender ist als bei Präsenzveranstaltungen.
Vernachlässigung der erwachsenenpädagogischen Didaktik
Nicht PädagogInnen sondern InformatikerInnen dominieren vielfach den E-Learning-Bereich. Das führt dazu, dass Bildungsinhalte und Online-Bildungsveranstaltungen eher auf der Grundlage der technischen Möglichkeiten als unter Berücksichtigung von didaktischen Überlegungen entwickelt werden. Die Folge ist, dass die Lernziele oft nicht eindeutig definiert werden und die Planung der Lernwege ineffektiv ist, so dass im Ergebnis die Lernerfolge unbefriedigend sind bzw. sogar ganz ausbleiben.
Die mangelnde Methodenvielfalt bewirkt, dass es schwieriger ist die TeilnehmerInnen zum Lernen zu motivieren, weil man als TrainerIn weniger Möglichkeiten hat und die eigene Persönlichkeit schlechter einbringen kann. Die aktuell zur Verfügung stehenden digitalen Lehr-/Lernmethoden (Online-Tools) wie Umfragen durchführen, gemeinsame Textbearbeitung, Beiträge für eine Pinnwand erstellen oder Multiple Choice-Tests werden schnell langweilig. Es gibt zwar immer neue, digitale Werkzeuge auf dem Markt, die aber vielfach kaum Erweiterungen oder Verbesserungen zu bisher schon Vorhandenem bieten.
Und das vor dem Hintergrund, dass E-Learning ohnehin oft als lästige Zusatzbelastung empfunden wird. Nicht zuletzt, weil es ermüdender ist als das Präsenzlernen (Zoom fatique). Deshalb müssten eigentlich vermehrt aktivierende Methoden eingesetzt werden, die so oftmals aber gar nicht in der erforderlichen Bandbreite zur Verfügung stehen. Auch das Microlearning, eine Lernmethode, bei der kurze Lerninhalte in kleinen Einheiten vermittelt werden, um das Lernen flexibler und effektiver zu gestalten, wird deshalb an Bedeutung gewinnen.
Didaktische Überlegungen zum digitalen Lernen
- Modalitäten (Termin, Dauer, Zugangsvoraussetzungen, notwendige Technik, Datenschutz, Urheberrecht, Kosten) klären. Erfolgsfaktor: niedrigschwellige Angebote
- Überblick über den Seminarablauf geben / Stichwort: virtueller Advanced Organizer
- Lernbegleitung bzw. Möglichkeiten zum Austausch/gemeinsamen Arbeiten nutzen/schaffen
- Lernstoff in mehrere, kürzere Lerneinheiten aufteilen (Stichwort: Microlearning). Anderes Online-Leseverhalten bei der Textgestaltung beachten!
- Unterschiedliche Methoden einsetzen (aber bei den meisten Zielgruppen nur wenige deutschsprachige und leicht bedienbare Online-Tools)
Digitales Lernen – Medien und Methoden
Veranstaltungsformen für digitales Lernen:
- asynchroner Online-Kurs, Webinar, Mooc, Videokonferenz (Webmeeting)
Digitale Lernplattform (Lern-Management-System)
Digitale Lernmaterialien:
- Text / PDF-Datei, E-Book, Grafiken & Fotos, Serie von Medienbeiträgen (Podcast), Erklärfilm, Video, Computerspiel, Lernanwendung (Learning-App)
Digitale Lehr-/Lernmethoden:
- Umfragen durchführen, gemeinsame Textbearbeitung, Beiträge für eine Pinnwand (Memoboard) erstellen, Lernanwendungen, Auswahlfragebogen (Multiple Choice-Test)
Digitaler Austausch (Interaktion) zwischen Lehrenden und Lernenden:
- SMS, E-Mail, Kommentarfunktion von Webseiten und Weblogs, Internetforum, Internetchat oder Messaging-Dienst, soziale Netzwerke, Videokonferenz, Webinar, virtueller Seminarraum
Gesundheitliche Belastungen durch digitales Lernen
Die rasant fortschreitende Digitalisierung und die technischen Entwicklungen in der Erwachsenenbildung gehen nicht selten mit einem Gefühl der Überforderung einher. Das betrifft Teilnehmende genauso wie Lehrende. Hinzu kommt der Stress durch den Mangel an Wahrnehmung, das ständige Vergleichen mit anderen, unsachliche Kommentare und die Bewertungskultur im Internet.
Last but not least geht das digitale Lernen auch mit körperlichen Belastungen einher. Stundenlanges Sitzen und anstrengende Bildschirmarbeit sind Belastungen die möglichst durch bewusste Offline-Zeiten, regelmäßige Bewegungseinheiten und auch Entspannungsübungen ausgeglichen werden sollten.
Linktipps:
- Mikro-Didaktik (Seminarplanung) – Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Bildungsveranstaltungen (Erwachsenenbildung)
- Glossar digitale Erwachsenenbildung (PDF)